JFK

John F.Kennedy  |  Ausstellungsgestaltung  |  Auftraggeber*in: Wien Museum  |  2005  |  Wien

 

Kuratierung: Monika Sommer, Michaela Lindinger

 

Fotos: Wolfgang Thaler



Was (nicht) zu sehen ist
Ein Gespräch mit den Kuratorinnen Monika Sommer und Michaela Lindinger, Wien Museum

K: Was hat euch als Architektinnen eigentlich an der Gestaltung der JF Kennedy Ausstellung interessiert?

A: Auch wir, die wir in den 70er Jahren anfingen groß zu werden, wurden von den Ereignissen der unmittelbaren Vergangenheit nachhaltig beeindruckt: Mondlandung, Kubakrise, Elvis Presley, der kalte Krieg... manches davon war mit einem Namen verbunden: John F. Kennedy. So entstand für uns eine eigene Erinnerung, eine Wahrnehmung, auf die wir uns beziehen können und wir kommen heute, da wir die Gelegenheit haben, eine Ausstellung zu diesem Thema zu gestalten, nicht umhin, uns ein weiteres Bild zur Geschichte und zu seiner Person zu machen.

K: Ich glaube, mit dem Wort „Bild“ ist ein zentraler Aspekt angesprochen. JFK hat es sehr gut verstanden, sich ins Bild zu setzen, im Fernsehen, in den print-medien, in der Politik und in der Geschichte. Er hat sich selbst, seine männliche Stärke, seine vorgebliche Gesundheit, ein demonstrativ veröffentlichtes Familienglück im weißen Haus einfach perfekt inszeniert. Selbst wenn seriös arbeitende Historikerinnen versucht haben, seine person authentisch zu beschreiben, sind nach wie vor viele Fragen offen, Akten noch verschlossen. Die Vorstellungen von dem was echt und was vorgespielt wurde, bleiben diffus – und sind letztendlich verunsichernd, weil uneindeutig. Eine Ausstellung, so die Erwartungshaltung vieler Besucherinnen, soll klar vermitteln, „wer JFK war“, „wie es wirklich war“, doch der Eindeutigkeit wollen wir uns verweigern. Darum heißt die Ausstellung nicht „Mythos und Wahrheit“, denn auch ein Mythos erzeugt Wirklichkeiten und wir maßen uns nicht an, die Wahrheit zu definieren. uns ist es wichtig, einerseits eine klare Erzählung wie einen roten Faden anzubieten: Quellen aller Art - ganz egal ob es jetzt Archivmaterial, Zeitungsausschnitte, Fernsehmaterial, Wahlkampfbuttons, Schallplatten etc. sind – liegen nicht einfach nur hier, sondern sind interpretiert und kommentiert. Gleichzeitig sollte auch gestalterisch vermittelt werden, dass Geschichte gemacht wird, es einfach Leerstellen der Historie gibt.

 

A: Die Ausstellungsarchitektur ist ein Instrument auf einer sensorischen Ebene Botschaften zu transportieren. Dabei sind für die Entwurfsarbeit vorab mehrere Aspekte von Relevanz: es geht um das destillieren einer Quintessenz des Themas, um die Darstellung dessen, was den Inhalt ausmacht, was man vermitteln möchte. Der zu bespielende Raum selbst setzt natürlich stets die Rahmenbedingungen für den Entwurf.

Über JFK wird in dieser Ausstellung viel Material gezeigt, noch mehr bleibt ungezeigt. Wir wollen den einzelnen Exponaten Parallelität und Gleichwertigkeit zuweisen. Es gibt keine hierarchische Ausformulierung der Architektur. Alles ist präsent und die Besucherinnen schaffen sich selbst ihre Vorstellung, indem sie aus einem Pool von Information ihre Wahl treffen. In unserem Entwurf sind die Objekte auf die Mitte des Raumes konzentriert, wodurch alle Objektträger mindestens zwei Seiten bekommen. Die Rückseiten erhalten so eine gewisse Präsenz, drängen sich zwischen die mit Bedeutung aufgeladenen Schauseiten und eröffnen einen Gedankenraum, der die tiefen der Archive und der noch nicht ans Licht geförderten Dokumente auslotet. Durch die visuelle Durchlässigkeit der architektonischen Gestaltung erklärt sich die Ausstellung den Betrachterinnen auf einen Blick. Von jedem Punkt des Raums aus kann das Ganze, in der Ausstellung vorhandene Material überblickt werden, doch es vermengt sich zu einem Gesamteindruck mit Tücken: was wir erzeugen wollen, ist ein schillern und flimmern, ein delirium der Wahrnehmung, das klärt und verwirrt zugleich. Auf der Ebene der Objekte aber herrscht Klarheit.

 

K: Wie funktioniert das?

A: Die Trägerstangen für Rahmen und Vitrinen verschwinden im dunklen Raum der offenen Zwischendecke. aus dieser Öffnung dringt das Licht für die Objektbeleuchtung - eine theaterartige Installation, die dem glanzvollen Volumen der Objektpräsentation die Schattenwelt eines nur schwer greifbaren Deckenhohlraums gegenüberstellt. Wie schwerelose Theaterprospekte hängen die Präsentationsflächen im Raum und lassen gedanklich die Möglichkeit sich in Gang setzender Bühnenzüge offen - die Inszenierung ändert sich. Gleichzeitig sind die Präsentationsrahmen auf die Objekte maßgeschneidert. Dadurch ergeben sich unterschiedliche Größen, was dem ganzen eine Art hüpfende Leichtigkeit und eben dieses Flimmern verleiht. Auf über Kopf gehängten Videoleinwänden, die quer zur Gehrichtung zwischen die Ausstellungsschienen gespannt sind, spielen wir die historischen Fernsehdokumente ab und thematisieren die Medienpräsenz des Präsidenten. Das ist nochmal eine eigene Ebene in der Ausstellung, die "über allem schwebt".


K: Das ist nur eine Seite der historischen Person JFK, die selbst im jüngst vergangenen Präsidentschaftswahlkampf als Referenzfigur herangezogen wurde. Wir haben es als unsere Aufgabe verstanden, Stellung zu beziehen: einen JFK darzustellen, der ein Mythos ist, an dem gekratzt werden muss, gleichzeitig ist klar, dass die Ausstellung zu diesem beiträgt, allein schon deshalb, weil er zum Thema gemacht wurde. Den lokalen Bezug zu Wien herauszustreichen, war uns ein inhaltliches Bedürfnis – von der politischen bis zur ganz individuellen Dimension.

A: Wir haben uns sehr rasch entschieden, die beiden inhaltlichen Abschnitte - die Aufarbeitung von Kennedys Biografie und den Spezialteil zum Wiener Gipfel 1961, den beiden unterschiedlichen Teilen des Ausstellungsraums zuzuordnen. das zerreißt zwar die Ordnung des zeitlichen Ablaufs, akzentuiert aber inhaltlich und räumlich.

K: Dieser Vorschlag war aufgrund seiner inneren Logik auch für uns überzeugend. der Spezialteil zum Wiener Gipfel soll sich ja auch vom anderen Teil der Ausstellung unterscheiden, denn hier stehen neben den politischen Akteuren JFK und Nikita Chruschtschow noch andere Menschen im Zentrum unseres Interesses: die beiden Ehefrauen und vor allem die Wienerinnen selbst. Viele können sich ja noch an die Begegnung in Wien erinnern, waren vielleicht selbst dabei, andere wissen noch Haargenau, wo sie von der Ermordung JFKs gehört haben.

A: Diese mikrohistorische Perspektive und eure Idee einer Publikumsbeteiligung an der Ausstellung hat auch in die Architektur Eingang gefunden: in einer Lounge werden die Besucherinnen eingeladen, sich zu setzen und das Ges(ch)ehene zu rekapitulieren. Wir schaffen dort eine Zone, die ein mittelding aus Wohnzimmer und beobachtungsposten darstellt und einen, von der restlichen Ausstellung unterschiedlichen Charakter hat. Dort befinden sich auch ein Gästebuch und als letztes Präsentationsmöbel in den Ausstellungszeilen eine leere Vitrine.

K: Die Idee der leeren Vitrine ist ein Experiment, auf das wir uns einlassen wollten: die Besucherinnen werden aufgefordert, selbst „ihre“ Kennedy-Objekte dem Museum für die Dauer der Ausstellung zur Verfügung zu stellen und vielleicht ist die Vitrine am Ende gefüllt – mit fotografien, mit Gedenkmünzen, mit Zeitungsausschnitten, Briefmarken. und wer seine Erinnerungen oder seine Emotionen lieber schriftlich mitteilt, hat dazu im Besucherinnenbuch Gelegenheit. Jeder Besucher, jede Besucherin bringt eine persönliche Vorstellung von JFK und seiner Zeit mit in die Ausstellung. Ob sich dieses nach der Ausstellungsrezeption verändert hat, werden wir wohl nur in den seltensten Fällen erfahren.

(aus: John F.Kennedy Ausstellungskatalog, 2005)