Generalinstandsetzung des WUK Verein zur Schaffung offener Kultur- und Werkstätten
Sanierung und barrierefreie Erschließung | Generalplanung | Auftraggeber*in: Stadt Wien | 2021 - 2023 | Wien
Arge WUK | RAHM Architekten & Vasko+Partner
Fotos: Wolfgang Thaler | Visualisierung: BOKEHdesignstudio, RAHM architekten
Seit 45 Jahren ist das offene Werkstätten- und Kulturhaus WUK in dem markanten Gebäude an der Währinger Straße 59 im 9. Bezirk angesiedelt. Es ist eines der größten soziokulturellen Zentren Europas und
wird jährlich von 200.000 Menschen besucht. Schwerpunkte der Sanierung des gründerzeitlichen ehemaligen Industriekomplexes mit bewegter Geschichte waren: Barrierefreiheit, Substanz erhaltende Maßnahmen,
Benutzungssicherheit, Erneuerung aller haus- und elektrotechnischen Anlagen. Die Sanierungs- und Umbauarbeiten fanden im laufenden Betrieb im Zeitraum von drei Jahren statt. Dabei wurden der industrielle
Charme, die gewachsene Struktur des Gebäudes behutsam für die nächsten 30 Jahre gesichert und der Hof als innerstädtische Grünoase mit seinem etwa 100 Jahre alten Veitschi an den Fassaden erhalten.
Das WUK als Kultureinrichtung mitten in der Stadt stellt mit seiner einprägsamen Backsteinfassade und dem grünen Innenhof einen Identifikationspunkt dar. Die anstehende Sanierung erforderte im
Vorfeld eine detaillierte Begutachtung durch Expertinnen. Mit dieser umfassenden Bestandsaufnahme wurde entschieden, welche Elemente bleiben können, welche entfernt werden müssen und welche ergänzt
werden sollten. Vorhandene Materialien und Farben wurden analysierten und in einem Katalog der Materialien zusammengefasst, der als Leitfaden und als Kommunikationsinstrument über die Gestaltung diente.
Daraus wurde eine architektonische Sprache entwickelt, um für jede bauliche Änderung oder Neuerung eine passende Lösung zu formulieren, die den jeweiligen Herausforderungen gerecht wird.
Bereits im Vorfeld wurde ein Beteiligungsverfahren mit allen Initiativengruppen der sieben selbstverwalteten Bereiche im WUK von den Architektinnen über einen Zeitraum von mehreren Monaten geführt.
Während dem Planungs- und Bauprozess wurde eine kompetente Koordinationsstelle von Seiten der Nutzerinnen geschaffen, die als Vertreterin bei allen Planungs- und Baubesprechungen involviert und
in alle gestalterischen Entscheidungen miteinbezogen war. Damit wurde sichergestellt, dass Informationen unmittelbar weitergegeben wurden und die Anliegen der Nutzerinnen als Planungsressource
zur Verfügung standen. Die Besucherinnen das WUKs wurden laufend über Prozessfortschritt per Newsletter informiert und konnten mit dem Kauf eines symbolischen Bausteins selbst einen Beitrag leisten.
Sanierung gleicht einem Puzzlespiel, wo an unterschiedlichen Orten kleine und größere Teile eingepasst und ergänzt werden müssen. Das große Ganze erschließt sich im additiven Prozess, wo Alt und Neu
gemeinsam einer veränderten Sache dienen. Das übergreifende Gestaltungsprinzip schafft dabei einen visuellen Zusammenhang und eine Ordnungsstruktur durch Orientierung und Klarheit.
Der neue Aufzugsturm mit den Laubengängen war als raumgreifender Eingriff im Hof notwendig, um eine barrierefreie Erschließung zu ermöglichen. Diesem funktionalen Zweck wurde gestalterisch mit der
parametrischen Bedruckung der Glasfassade mit rautenförmigen Spiegelflächen eine neue visuelle Erlebbarkeit des Raums hinzugefügt. Der Himmel und das WUK spiegeln sich darin und schaffen so eine sich
wandelnde Perspektive.
Der Nutzungsmix im WUK ist einzigartig und über die letzten Jahrzehnte gewachsen. Neben Ateliers und Werkstätten gibt es Schulen, Kindergärten, Veranstaltungsräume, Büros, Proberäume, Gastronomie,
die als autonome Teilbereiche selbstverwaltetet werden. Die vorhandene Gebäudestruktur hat über die Jahre immer wieder Anpassungen an sich ändernde Bedürfnisse erfahren. Der Beteiligungsprozess im
Vorfeld der umfassenden Instandsetzung hatte gezeigt, dass größere Änderungen der Nutzungen nicht gewünscht waren. Für die Barriere-Freimachung des Gebäudes war es notwendig in geringem Maße Eingriffe
in die bestehenden Nutzungen zu machen. Nutzungssicherheit, vor allem was den Brandschutz und die Barrierefreiheit betrifft, sowie die Bestandserhaltung und -sicherung sollten das Hauptaugenmerk sein.
Das Gebäude ist ein Industriedenkmal. Notwendige Eingriffe und Umbauten wurden sparsam durchgeführt, sollten deutlich sichtbar gemacht werden und sich selbstverständlich in die gewachsene Struktur einfügen.
Installationen wurden fast durchwegs Aufputz verlegt. Historische Elemente wie eine Stahlstiege wurden versetzt und somit wiederverwendet, anstelle sie zu erneuern. Bei allen neuen Einbauten wurde
besonders auf die Langlebigkeit der verwendeten Materialien wert gelegt. Schadstoffuntersuchungen im Vorfeld haben belastete Bauteile im Bestand identifiziert. Für alle neuen Bauteile wurden die
Ökokaufrichtlinie der Stadt Wien als Standard definiert. Repariert wird im WUK so viel als möglich selbst. Das ist nicht nur ökonomisch sinnvoll, sondern auch Teil der DIY Betriebskultur.
Das Sichtziegelmauerwerk mit Zierelementen aus Romanzement der denkmalgeschützten Gebäudehülle sowie die historischen Holzkastenfenster und Industrieverglasungen wurden saniert. Eine thermische
Ertüchtigung wurde bei den obersten Geschoßdecken durchgeführt. Sämtliche Dacheindeckungen wurden erneuert, die Dachstuhlkonstruktionen, sofern notwendig, verstärkt. Das Hauptaugenmerk der energetischen
Sanierung lag auf der Erneuerung der Haustechnik und der Elektroinstallationen um hier Energieverluste auf ein Minimum zu reduzieren. Großflächige PV- Anlagen am Dach, eine hocheffiziente Kühlung des
großen Veranstaltungssaales, die Umrüstung auf energieeffiziente LED-Beleuchtung im gesamten Haus tragen zukünftig dazu bei, die Betriebskosten wesentlich zu reduzieren.
Das Bauen im Bestand bedingt einen umsichtigen Erhalt von Vorhandenem und eine variantenreiche Ergänzung von Notwendigem. Architektonisches Konzept war es, mit geringen Eingriffen in die historische
Bausubstanz ein Maximum an Verbesserungen zu erreichen. Eine schöne Überraschung war der „Gold“-Fund in den ehemaligen Wohnräumlichkeiten von Georg Sigl, aus dem Jahr 1855, Bauherr und Fabrikbesitzer
der Lokomotivfabrik. Im Zuge der Sanierungsarbeiten blitzte es unter den Rissen und vielen Schichten Farbe an der Decke plötzlich golden hervor. Die mit Schlagmetall verzierte Stuckdecke und die
Farbornamenten wurden rekonstruiert, das Prunkstiegenhaus mit seinen mit Stucco Lustro und Malereien versehenen Wänden restauriert und das Geländer ertüchtigt.