Generalinstandsetzung des WUK Verein zur Schaffung offener Kultur- und Werkstätten
Sanierung und barrierefreie Erschließung | Generalplanung | Auftraggeber*in: Stadt Wien | 2021 | Wien
Arge WUK | RAHM Architekten & Vasko+Partner
Visualisierung: BOKEHdesignstudio, RAHM architekten
Eine Sanierung ist per se nachhaltig
„Gebäude erzählen eine Geschichte. Das fasziniert mich“, umreißt Anna Resch ihre Motivation, sich beruflich auf Bauprojekte zu spezialisieren. Die Fäden der WUK-Sanierung laufen seit einigen Wochen bei der Architektin zusammen. Als Projektleiterin ist sie die Kommunikationsdrehscheibe zwischen den Nutzer_innen der Räume im WUK und dem Generalplaner. Sie stellt sicher, dass die kommenden Jahre im Zeichen der langfristigen Absicherung des WUK stehen.
Nachdem sich die Mitglieder des Vereins im Sommer für den Abschluss eines Mietvertrages mit der Stadt Wien ausgesprochen hatten, konnten die Planungsarbeiten für die damit einhergehende Sanierung des Hauses beginnen. „Wir haben eine detaillierte Bestandsaufnahme aller Baumaßnahmen gemacht und einen Bauzeitplan erstellt“, fasst Anna Resch die ersten Schritte zusammen. „Laut MA 34 soll die Generalinstandsetzung in der ersten Hälfte 2024 abgeschlossen sein.“
In seiner fast 40-jährigen Geschichte hat sich das WUK zu einer Wiener Institution und einem international anerkannten Kulturzentrum entwickelt, das schon in der Vergangenheit für die Instandhaltung des ursprünglich für den Abriss bestimmten Gebäudes sorgte. Eine Sanierung des 1855 erbauten und heute denkmalgeschützten Hauses ist mittlerweile unumgänglich. Aus einem Vergabeverfahren der MA 34 ging die Arbeitsgemeinschaft Arge | WUK mit Vasko+Partner und RAHM Architekten ZT-KG als Generalplanerin hervor. Eine ideale Lösung, denn Hans Schartner und seine Kolleginnen Adele Gindlstrasser und Ursula Musil von RAHM Architekten kennen das WUK und seine Bedürfnisse bereits gut.
Im Zuge der 25-Jahr-Feier des Vereins kam Hans Schartner ab 2006 in Kontakt mit dem WUK. In Kooperation mit der TU Wien verwirklichte er zu dieser Zeit das Projekt „PLATZebo“, das aus einem Entwurfworkshop mit Studierenden heraus entstand. „Danach haben wir auch als Architekturbüro begonnen, die ersten Aufträge für das WUK umzusetzen“, erklärt er. Die RAHM Architekten haben ihre Handschrift seither im Foyer, Mittelhaus und Infobüro hinterlassen.
Was macht eine Sanierung ökologisch?
Welche nachhaltigen Aspekte werden bei der kommenden WUK-Sanierung berücksichtigt werden? Diese Frage quittiert Hans Schartner knapp und deutlich: „Bestandssichernde Maßnahmen sind per se ‚nachhaltig‘. Zusätzlich wird eine energetische Verbesserung des Gebäudes den Verbrauch reduzieren.“
Diesen Standpunkt vertritt auch der Physiker Simon Schneider. Er lehrt an der FH Technikum in den Bereichen Urbane Erneuerbare Energiesysteme und Smart City. Als Leiter des von der Stadt Wien geförderten Kompetenzteams für lebenswerte Plus-Energie-Quartiere nimmt er neben der energietechnischen auch eine sozialwissenschaftliche Perspektive ein. „Wie bringen wir unsere nationalen Klimaziele mit konkreten Anforderungen an einzelne Gebäude und Quartiere in Einklang?“, fasst er seinen systemischen Arbeitsschwerpunkt zusammen.
Materialeinsatz
Aus der Sicht Simon Schneiders gibt es mehrere Aspekte, die gegen den Abriss und Neubau von Gebäuden sprechen, allen voran der Materialeinsatz: „Eine Sanierung ist wie jede Reparatur. Sie ermöglicht die Nutzung bereits vorhandener und geschaffener Ressourcen für einen längeren Zeitraum. Das braucht weniger Energie, schafft weniger Müll und braucht vor allem weniger neue Materialien.“ Gerade Beton und Zement, aber auch viele moderne Dämmmaterialien und Haustechnik-Komponenten seien in der Herstellung sehr energie- und CO2-intensiv. Eine Sanierung sei daher fast immer ökologischer.
Der mit dem WUK vertraute Architekt Hans Schartner formuliert es noch drastischer: „Besonders Beton gilt als Klimakiller, da sowohl die Herstellung des Zements sehr energieaufwändig ist als auch der Abbau von Sand einen massiven Raubbau darstellt. Beton gibt es auch im historischen WUK, aber auch gebrannten Ziegel, Stahl und vieles mehr.“
Ökobilanz
Ein weiterer ökologischer Gesichtspunkt, so Simon Schneider, ist die sogenannte Ökobilanz, die die Umweltauswirkungen eines Bauvorhabens quantitativ bewertet. „Die Lebensdauer ist hier die kritischste Größe: je länger, umso besser. Auch das spricht für Sanierung und Instandsetzung statt Neubau. Man muss sich vor Augen halten, dass grob ein Viertel bis Drittel aller Emissionen und Energieaufwendungen eines Gebäudes nicht während des Betriebs über den Lebenszyklus anfallen, sondern bereits in der Errichtung und den Materialien stecken.“ Man spricht hier von „grauer Energie“.
Denkmalschutz
Die Erhaltung der Bausubstanz ist besonders auch im Sinne des Denkmalschutzes begrüßenswert. Diesen Konsens gab es jedoch im Falle des WUK nicht immer. Mit zahlreichen Zeitdokumenten zeichnet etwa die Diplomarbeit von Susanne Baume an der TU Wien die Entwicklung von den ersten Gebäuden der Maschinenfabrik zu Beginn des 19. Jahrhunderts über die Nutzung als Schule bis zum heutigen Gebäude in der Währinger Straße nach. Als das TGM auszog, stand am heutigen WUK-Standort ein sanierungsbedürftiges Gebäude leer. Baume beschreibt deutlich, wie sehr die Stadtentwicklung der 1970er Jahre von einer Abriss- und Neubaupolitik geprägt war. Als Gegenbewegung dazu formierten sich zahlreiche Jugendbewegungen, die mittels Hausbesetzungen für den Erhalt des historischen Bestands eintraten – nur darum prägen Amerlinghaus, Arena und WUK auch heute das Stadtbild mit.
Eine historische Weichenstellung, deren stadtplanerische Bedeutung für die WUK-Projektleiterin Anna Resch immens ist: „Dass eine ehemalige Fabrik ihren Platz in der Stadt behalten darf, ist eine Besonderheit. So erfahren nicht nur Prachtbauten und Wohnhäuser neue Nutzungen, sondern auch das Industriegebäude. Der Gedanke der Produktion in der Stadt ist ja auch im WUK noch immer präsent.“
Geht da noch mehr?
Die Klima-Entwicklungen der letzten Jahrzehnte haben den Bedarf an nachhaltigen Lösungen im Architekturbereich sprichwörtlich einzementiert – allerdings ist noch Luft nach oben. „Eigentlich ist der Gebäudebau einer der größten Verursacher der Klimakrise. Nachhaltigkeit ist dementsprechend ein Teil des Diskurses in der Architekturszene. Doch leider finden die Erkenntnisse noch nicht ausreichenden Niederschlag in der Praxis und in der Lehre“, beschreibt Hannah Rade ihre Erfahrungen. Die ehemalige WUK-Schülerin studiert derzeit Architektur an der Akademie für bildende Künste. So bliebe man hinter dem eigentlich vorhandenen Wissen.
In den kommenden Jahren wird sich das Wiener Stadtbild jedenfalls auch aufgrund der Smart-City-Rahmenstrategie weiterentwickeln, die die Leitziele der Emissions- und Energiereduktion vorgibt. Für Simon Schneider wichtige, wenn auch nicht ausreichende Schritte hin zu einer klimaneutralen Gesellschaft. Er hält fest: „Die Stadt kann das Problem nie alleine lösen, denn sie ist aufgrund der hohen Dichte sehr energieintensiv und kann ihren Energiebedarf erneuerbar nicht selbst decken. Eine ausgeglichene Ökobilanz lässt sich nur gemeinsam mit dem Umland herstellen.“
Was kann also die WUK-Sanierung zu einer Verbesserung für Hausnutzer_innen, Grätzel, Stadt und Umwelt beitragen? Architekt Hans Schartner fällt dazu eine Menge ein: „Das Gebäude soll zumindest für die nächsten 30 Jahre auf den aktuellen technischen Stand gebracht werden. Vor allem wird das die Gebäudetechnik, den Brandschutz, die Barrierefreiheit und die Sanitär-Bereiche betreffen. Auch die Standsicherheit des Gebäudes wird überprüft und, falls notwendig, verbessert. Für unsere Umwelt bringt das vor allem den Erhalt bereits investierter Ressourcen und einen geringeren Verbrauch zukünftiger Ressourcen.“
Ebenfalls geplant ist außerdem eine Dachbegrünung. Sie wird für ein besseres Raumklima sorgen und einen kühlenden Effekt haben, so Hans Schartner. Nicht nur wirke sie der Überhitzung des Mittelhauses entgegen, sie werde auch „freundlicher von oben anzusehen“ sein. Damit sei die Dachbegrünung eine passende Ergänzung zur bereits vorhandenen Fassadenbegrünung im Innenhof: „Sie kühlt im Sommer teilweise über Verschattung, teilweise über Verdunstung.“
Die Begrünung von Fassaden und Dächern ist neben dem kompensierenden Pflanzen von Bäumen eine naheliegende Möglichkeit zur Verringerung und zum Ausgleich der CO2-Ausstöße von Gebäuden. Welche sinnvollen Maßnahmen gibt es noch? „Ökologische Materialien verwenden, so wenig Technik wie möglich verwenden. Wir gehen viel zu großzügig damit um, Probleme mit mehr Technik lösen zu wollen“, so Simon Schneider von der FH Technikum. „Die heilige Dreifaltigkeit der Klimaziele heißt ‚Effizienz‘, ‚Erneuerbare Energien‘ und ‚Suffizienz‘. Besonders Suffizienz wird immer wichtiger, weil mit zunehmender Effizienz auch das Verbrauchen billiger wird. Das führt dann wieder zu einer Zunahme des Ressourcenverbrauchs: der sogenannte Rebound-Effekt.“ Dieser Effekt sei zum Beispiel schon zu Beginn der industriellen Revolution zu Tage getreten, als Dampfmaschinen so effizient wurden, dass der Kohleverbrauch explodierte, statt zurück zu gehen. „Dasselbe sehen wir bei Beleuchtung: Die Einsparungen durch LEDs im Vergleich zur Glühbirne werden durch einen übermäßigen Einsatz wieder abgetragen.“ Was also tun? „Dagegen hilft nur Suffizienz, also eine Kulturtechnik.“ Wie gut, dass mit dem WUK eine Produktionsstätte der Kulturtechniken erhalten bleibt und in eine nachhaltige Zukunft blickt.
Text: Astrid Exner