Luegerring

Entwurf für die künstlerische Kontextualisierung des Dr.Karl Lueger-Denkmals  |  geladener Wettbewerb  |  Auslober*in: Kunst im öffentlichen Raum GmbH und MA 7 Kultur  |  2023  |  Wien

 

gemeinsam mit: Martin Krenn

 

Visualisierung: RAHM architekten



Der Entwurf zeigt eine Skulptur in Form eines Stahl-Ringes, der den Sockel des Lueger-Denkmals umfasst. An der Außenseite des Ringes stehen in großen Lettern die Schriftzüge „Kein Platz für Antisemitismus“ und „Verdrängtes bricht hervor“.

 

„Kein Platz für Antisemitismus“ ist eine Forderung und ein Bekenntnis. Sowohl das Monument, welches dem antisemitischen Politiker Karl Lueger gewidmet ist, als auch die Benennung des Platzes werden dadurch grundsätzlich in Frage gestellt.

 

„Verdrängtes bricht hervor“ verweist auf die Graffitis, Beschmierungen und Beschüttungen am Sockel des Denkmals, die auch nach Anbringung des Ringes erhalten bleiben sollen. Diese Markierungen des Denkmals zeigen den von Lueger mitbegründeten Antisemitismus als einen Teil der Wiener Stadtgeschichte auf, der nicht mehr verleugnet werden darf und kann.

 

An der Innenseite des Ringes befindet sich eine Timeline, welche anhand von 20 kurzen Zitaten die kritische Rezeption der antisemitischen Politik Luegers und seines Erbes von 1891 bis in die Gegenwart darlegt. Die finale Auswahl und Ergänzung der Zitate soll in Absprache mit dem jüdischen Museum Wien erfolgen. Um Barrierefreiheit zu ermöglichen, werden die Zitate mittels QR-Code auf einer Informationstafel beim Lueger-Monument vom Smartphone abrufbar sein.

 

Der Stahlring hat einen Durchmesser von 11 Metern, ist 108 Zentimeter hoch und schwebt 144 Zentimeter über dem Terrain. Er ist regelmäßig zweidimensional gekrümmt, da es sich geometrisch um eine mittlere Kugelschicht handelt. Er besteht aus drei gewölbten Einzelteilen, die nach dem Transport vor Ort innenseitig, flächenbündig miteinander verschraubt werden. Das Material ist Edelstahl mit einer Materialstärke von 20 Millimetern. Die äußere Oberfläche ist spiegelpoliert und die Innenseite matt geschliffen. Der Ring wird auf sechs senkrechte Rundstützen aufgesetzt, die auf bauseitigen Fundamenten befestigt sind. Auf der Außenseite des Rings sind gelaserte, brünierte Buchstaben appliziert. Der Text auf der Innenseite des Ringes wird auf die matte Oberfläche gemalt. Der gewölbte, die Umgebung spiegelnde Ring umfasst das bestehende Denkmal und setzt verschiedene Assoziationen frei: Eine Barriere, die vom Denkmal und dem Antisemitismus, für welchen Lueger steht, abgrenzt. Ein Spiegel in Augenhöhe, der einen größeren Blickwinkel auf das Umfeld der Figur Lueger bietet. Ein Hindernis, in dem sich der/die Betrachter:in selbst reflektiert.

Die Ringskulptur mit ihrer Aufschrift lenkt den Blick auf das problematische Erbe Luegers und setzt durch die reflektierende Oberfläche das Monument mit seiner heutigen Umgebung in Beziehung. Begibt man sich in das Ringinnere, wird durch die 20 Zitate eine detailliertere Analyse der Problematik aus unterschiedlichen Perspektiven eröffnet.

 

In der weiteren Gestaltung der unmittelbaren Umgebung wird das Thema des Rings in Form von runden Plätzen unterschiedlichen Inhalts aufgegriffen. Unter der Platane soll im Bereich der Wurzeln die befestigte Bodenfläche rückgebaut werden, um hier einen angemessenen Naturraum zu schaffen. An anderen Stellen finden ein Rosenbeet und ein Speakers‘ Corner einen Platz. Die bewusste Wiederholung der Kreisform in der Gestaltung dieser weiteren Elemente hebt hervor, dass Stadtpolitik nicht Feindbilder bedienen, sondern ihren Fokus auf demokratische Freiräume und gesellschaftliches Miteinander legen soll.

 

 

Fragen und Antworten

 

Verletzungsgefahr an der Unterkante des Ringes?

Die Höhe des Ringes wurde derart gewählt, dass ein achtloses Unterlaufen nicht möglich ist. Eine Verletzungsgefahr besteht aus unserer Sicht grundsätzlich nicht, da der/die Betrachter:in sich bewusst dafür entscheiden muss, unter den Ring in das Innere des Ringes zu steigen (vergleichbar einer Reckstange auf einem Kinderspielpatz). Die Unterkante des Ringes ist rund geschliffen, eine Beschädigung der Kleidung, falls diese beim Unterschreiten an den Ring anstreifen sollte, kann deshalb ausgeschlossen werden. Es ist unsere ausgesprochene Intention die Wahrnehmung der Text-Skulptur auch körperlich erlebbar zu machen. Der Ring ist die gebaute Metapher einer Barriere. Um diese zu überwinden braucht es eine bewusste Übertretung, gekoppelt mit einer gewissen körperlichen Anstrengung. Diese führt zu „Sensory Awareness“ - einem sensorischen Bewusstsein, mit dem der thematische Inhalt anders erfahrbar und erlebbar ist, wenn der Diskursraum innerhalb des Ringes betreten wird.

 

Stolpergefahr beim Lesen der Texte innerhalb des Ringes?

Eine Kennzeichnung der Stufenkannten ist in Abstimmung mit dem Bundesdenkmalamt möglich.

 

Verkehrstechnische Einschränkung durch Lichtreflexionen (Sonne, Scheinwerfer) auf der spiegelnden Außenfläche des Ringes?

Die Lichtintensität des Abblendlichtes darf den Gegenverkehr nicht blenden und leuchtet den Bereich bis 50 Meter aus. Relevant ist die Lichtintensität in 25 Meter auf Scheinwerferhöhe. Der Lichtkegel des Scheinwerfers fällt ab Lichtaustritt beim Fahrzeug nach vorne hin ab. Bei einer Scheinwerferhöhe von 65cm fällt bei einer Ablenkung von 1% der Lichtschein bis 65 Meter vor das Fahrzeug. Eine Blendung durch Scheinwerfer kann ausgeschlossen werden. Die geometrische Form des Ringes ist ein Kugelsegment und nach außen doppelt, konvex gekrümmt. Lichtreflexionen sind damit geometrisch genau bestimmbar. Es ergibt sich eine multiple Streuung des Lichtes und damit eine Abnahme der Intensität im Gegensatz zu konkaven oder ebenen Spiegelflächen (Fenster). Wölbspiegel, wie zB Verkehrsspiegel zeigen immer ein verkleinertes, aufrechtes und seitenrichtiges Bild eines großen Bereiches.

 

Wie soll mit den bestehenden Beleuchtungskörpern umgegangen werden: Sollen sie entfernt werden oder bleiben?

Eine abendliche Anstrahlung des Objektes ist aus unserer Sicht nicht mehr vorgesehen. Die vorhandenen Leuchtobjekte werden entfernt.

 

Kann das Rosenbeet, das momentan im Gehsteig positioniert ist, weiter Richtung Platz-Hauptachse aus der direkten Gehrelation verschoben werden?

Das Rosenbeet ist in der Bewegungsachse des Gehsteigs positioniert. Indem die Fußgänger:innen um das Beet ausweichen müssen, wird hier die Frage aufgeworfen: Wofür machen wir Platz? Wie angenehm ist ein Platz oder wie hinderlich? Müssen inhaltliche und räumliche Qualitäten getrennt werden, um ein Urteil treffen zu können? Dieser Platz ist eine funktionale Umlenkung zur Kontextualisierung des Monuments und gleichzeitig ein Stolperstein in die thematische Auseinandersetzung. Mit Beibehaltung dieser Intentionen kann das Beet entsprechend positioniert werden.

 

Bespielungskonzept für den speaker´s corner?

Der Speakers‘ Corner folgt dem berühmten Vorbild im Londoner Hyde Park, wo jede:r ohne Anmeldung eine Vortrag zu einem beliebigen Thema halten kann. Die Position ist so gewählt, dass eine Präsenz zum Ring gegeben ist und gleichzeitig auch die Wiese als Verweilbereich einbezogen wird.

 

Wie soll mit der bestehenden Vermittlungstafel umgegangen werden?

Die vorhandene Vermittlungstafel verbleibt an Ort und Stelle. Eine neue Tafel, die die aktuelle Kontextualisierung erklärt und mit einem QR-Code die Zitate an der Innenseite des Lueger Rings abrufbar macht, wird in Abstimmung mit den Design-Vorgaben der Stadt im Zuge der Umsetzung bestimmt und im Nahbereich der bestehenden Tafel (z.B. Rosenbeet) montiert